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Archetypisches Hochschulstudium
des Klassischen Komponisten                                                      Fortsetzung
JOURNALIST: Ihr Unterricht an der Kölner Musikhochschule spielte sich also in einem Café in der Aachener Straße ab, sehe ich das richtig?LaoTse

PETER HÜBNER: Nicht ganz.
Gleichzeitig hatte ich mich auch noch bei Herbert Eimert angemeldet, der das elektronische Studio aufgebaut hatte und leitete.

Die Teilnahme in seinem elektronischen Studio setze ein abgeschlossenes Kompositionsstudium voraus - unterbreitete er mir.
Ich sagte ihm, daß ich über ein solches nicht verfüge, daß ich ihm aber eine Partitur von einer großen Oper zeigen könne, in der ich die Prinzipien seiner seriellen Musiktheorie verwirklicht habe.

Ich ließ ihm also die Partitur da. Nach einer Woche gab er sie mir zurück und teilte mir mit, ich könne in seinem Studio mit meiner Arbeit beginnen und den elektronischen Teil zu dieser meiner Oper realisieren.

Und so traf ich mich jede Woche mit dem technischen Direktor dieses Studios der Musikhochschule, Gerhard Rautenbach, und realisierte mit ihm zusammen die elektronische Musik zur Diogenes-Vision der Oper.
Er war ein einfühlsamer Mensch, kein typischer Technokrat und insofern ein hervorragender Partner bei der Realisierung dieser Arbeit.

Für Prof. Dr. Herbert Eimert war dieses elektronische Werk der große Wurf des Studios. Er bat mich, ihm, bzw. der Musikhochschule die Partitur (ca. 4 m breit und 1,5 m hoch) zur Verfügung zu stellen und ließ sie an der großen Wand des Studios - für jeden Eintretenden keinesfalls zu über-sehen - anbringen.
Und jedem, der aus dem In- oder Ausland kam, zeigte er jahrein jahraus voll Stolz diese Partitur.

Mir gegenüber äußerte er nie irgendein Wort darüber - er war ohnehin nicht ein Mann großer Worte, aber meines Erachtens ein einzigartiger Denker, von dem die gesamte Avantgarde bis heute mehr profitiert hat, als ihr überhaupt bewußt ist.

Er ist nicht nur der Begründer des ersten elektronischen Studios der Welt (am Westdeutschen Rundfunk) und der Vater der elektronischen Musik, sondern er ist, neben Arnold Schönberg und einem weiteren, auch einer der drei Begründer der modernen seriellen Kompositionstechnik und vor allem: auch der Vollender dieser Musiktheorie.

JOURNALIST: Würden Sie sagen, daß Ihnen die Zeit an der Musikhoch--schule in Köln genutzt hat?

PETER HÜBNER: Ja. Durchaus.
Zum einen konnte ich dort im elektronischen Studio arbeiten.
Zum anderen bestätigte mich Prof. Zimmermann in meiner generellen geistigen Einstellung zur Musik und sorgte möglicherweise dafür, daß mich der damalige Kulturdezernent der Stadt Köln, Kurt Hackenberg, bei der Errichtung meines eigenen elektronischen Studios finanziell unterstützte.

JOURNALIST: Wie hat sich die Hochschulleitung Ihnen gegenüber verhalten?

PETER HÜBNER: Im großen und ganzen sehr gut. Die Hochschule versuchte mir aber eine einzige Pflicht aufzuerlegen: dies war meine Teilnahme am Hochschulchor. 1966 stieg ich dann aber bei einem Chorwerk aus.

Vom Rektor und stellvertretenden Rektor der Hochschule wurde ich verschiedentlich angemahnt, es wurde angeblich eine Unterrichtsstunde im Hauptfach gestrichen, und es wurde mir auch angedroht, daß eine weitere Nichtbeachtung der von mir gegenüber der Hochschule eingegangenen Verpflichtung der Chorteilnahme zu noch schärferen Maßnahmen und letzten Endes zu meiner Exmatrikulation von der Hochschule führen müßte.

Schließlich lud mich der Rektor der Hochschule in sein Büro und bat mich inständig und quasi auf Knien, am Hochschulchor teilzunehmen: keiner wolle am Hochschulchor teilnehmen, gab er zu, aber wenn man das bei mir durchgehen ließe, würde sich jeder auf mich berufen, und keiner würde mehr kommen. Und dies würde gegen die Hochschulordnung verstoßen.

Bei mir habe die Hochschule und auch das Wissenschaftsministerium ja schon die Ausnahme gemacht, mich von allem Unterricht zu befreien. Aber ich möchte doch bitte um Gotteswillen zum Chor gehen. Einmal in der Woche 2 Stunden.
Er könne es vor keinem der Studenten vertreten, wenn ich nicht hinginge. Der ganze Chor drohe zusammenzubrechen.

JOURNALIST: Und wie war Ihre Reaktion?

PETER HÜBNER: Ich antwortete ihm, daß ich erst einmal niemals irgendeine Verpflichtung gegenüber der Hochschule eingegangen sei und daß es deshalb alleine sein Problem sei, damit fertig zu werden und nicht meines.
Zum anderen betrachte ich es als eine Vergewaltigung meines Geistes, dieses lächerliche Lied zu singen - vielleicht käme ich wieder, wenn andere Sachen auf dem Programm stünden.

Aber ich könne nicht gegen mein Gewissen handeln, denn ich sei mir darüber im klaren, daß dies dann auch das Ende meiner beruflichen Laufbahn wäre, und das könne er von mir nicht verlangen, und auch nicht der Wissenschaftsminister - niemand.Beethoven

Dann drohte er mir an, daß sie mich von der Hochschule werfen müßten.
Ich sagte ihm, auch dies sei alleine sein Problem und das des Wissen-schaftsministers, und nicht meines.

Sie sollten tun, was sie für richtig halten.

Aber es wäre ja immerhin möglich, daß ich der einzige bin, dessentwegen sich die Hochschule eines Tages rühmen könne und der der Existenz dieser Hochschule überhaupt ihre Berechtigung gibt.

Ich könne zwar nicht mit Sicherheit sagen, daß ich in vielen Jahrzehnten der einzige bin, Brahms aber ich könne ihm versprechen, ich wäre einer von ihnen. Und mir wäre es völlig egal, wie sie sich entscheiden - ich ginge jedenfalls nicht zum Chor.

JOURNALIST: Und was geschah daraufhin?

PETER HÜBNER: Ich ging nicht zum Chor, ich ging nie wieder zum Chor, ich wurde auch nie wieder gebeten, zum Chor zu gehen, aber ich wurde auch nicht von der Hochschule geworfen.
Ich habe in dieser Sache nie wieder irgendetwas gehört, und die Existenz des Hochschulchores hat meine Abwesenheit auch verkraftet - bis heute.

JOURNALIST: Wann schlossen Sie Ihre Zeit an der Musikhochschule Köln ab?

PETER HÜBNER: Ich blieb noch bis 1969 weiter an der Hochschule immatrikuliert, um das elektronische Studio nutzen zu können.

                   
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