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Die Frage nach dem Sinn und Zweck des Lebens                       Fortsetzung

JOURNALIST: In diese Schaffenszeit der musikalischen- menschlichen Evolution in „Fluch oder Segen: doch“ bzw. „Kausalität“ fallen dann auch Ihre sehr kritischen Musikwerke „Energie I“, „Verspätete Romantik“, „Gesang eines Automobils“ und „Individuum I“

Bei Ihnen als dem Komponisten von „Fluch oder Segen: doch“ bzw. „Kausalität“ und den anderen genannten Werken handelt es sich nicht um jemanden, der schlecht und recht das äußere Handwerk des Komponierens nach Schema F auf irgendeiner Musikhochschule studiert hätte, sondern um einen hundertprozentigen Autodidakten, der musikalisch von allem Anfang an nur aus sich selbst heraus schöpft.

Können wir daraus ableiten, daß es sich bei dieser kritischen Schaffensperiode um die Entwicklung einer Weltsicht handelt, die sich zwischen den Jahren 1958 und 1966 in Ihrem Inneren vollzogen hat: haben Sie diese Werke in Ihrem inneren und äußeren Leben erlebt und durchlebt?!

Und es stellt sich hier auch noch die Frage, ob dieser philosophisch-ethischen Entwicklung oder der musikalischen Entwicklung der Vorrang einzuräumen ist.

PETER HÜBNER: Zweifelsfrei hat immer die Entwicklung einer inneren musikalischen Vorstellung strukturell einen Einfluß auf die Entwicklung des allgemeinen Denkens und somit auch auf die Entwicklung des philosophischen oder ethischen Denkens.

Und wenn man davon ausgeht, daß in „Fluch oder Segen: doch“ die musikalische Entwicklung aus der Einheit ganz systematisch sich aus allen Normen befreiend die Richtung zur Vielfalt einschlägt und schließlich auch wieder in der Einheit endet, dann ist es nur verständlich, wenn dieser Prozeß der musikalischen Befreiung in diesem Bühnenwerk auch inhaltlich wiederzufinden ist: in der Rolle jenes Hauptakteurs Kchatom.

JOURNALIST: Mit „Fluch oder Segen: doch“ stoßen Sie für den Musiker des klassischen Orchesters schrittweise immer gezielter jene Tore freier musikalischer Gestaltung auf, wie sie bisher nur der Musiker des Free-Jazz kennt, und Sie tun das Entsprechende für den Regisseur, für den Bühnenbildner und: für all jene Darsteller, die nach Freiheit streben.

Große Opernregisseure wie Oscar Fritz Schuh, Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und Harry Buckwitz, Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste Frankfurt und General-intendant der Städtischen Bühnen Frankfurt, haben sich nach Fertigstellung dieses Werkes für dessen Realisierung stark gemacht.

Der Verlag Schott’s Söhne in Mainz wollte den Vertrieb dieses Werkes betreuen ...

PETER HÜBNER: Aber meine Gespräche mit bekannten Neutöner-Dirigenten dieser Zeit der späten Mitte unseres 20. Jahrhunderts offenbarten mir, daß dort auf der musikalischen Seite der „Interpret“ auf eine solche von innen heraus geführte Thematik über Sinn und Zweck der menschlichen Existenz gar nicht vorbereitet war.

Insofern rieten mir die Regisseure auch, für die Realisierung dieses Stückes nicht-musikalisch-verbildete Mitwirkende zu wählen – aber wie sollte eine Oper ohne die Fachleute aus dem Bereich der Musik inszeniert werden?!

JOURNALIST: Wohl aus diesem Grunde ließen Sie den Gedanken an eine Aufführung erst einmal fallen und beschäftigten sich mit einem neuen Bühnenwerk: „Gesang des Lebens“.

PETER HÜBNER: In diesem neuen Musikepos „Gesang des Lebens“ baue ich dann auf jene übergeordnete Weltsicht des Kchatom auf und setze mich von diesem neuen Erkenntnisstandpunkt aus mit Sinn, Ziel und Zweck der Welt auseinander sowie mit der Rolle ihres Erbauers – nur daß diese Welt jetzt nicht mehr die Außenwelt ist – jene allbekannte Ökologie sowie jenes äußere Streben nach „Vollendung“ oder besser gesagt: nach Zerstörung dieser äußeren Welt –, sondern die menschliche Innenwelt des freien Willens und der schöpferischen Phantasie.

                   
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